Integrale und systemische Perspektiven in der Produktentwicklung

In der Welt der Produktentwicklung sind viele Menschen involviert. Diese Menschen sind keine isolierten Individuen, sondern bilden vielmehr ein komplexes System: sei es als Teammitglieder, Unternehmen oder in Verbindung mit Partnern, Kunden und anderen externen Stakeholdern. Diese Interaktionen erzeugen Dynamiken und Kulturen, formen Rollen und Hierarchien und können zu offenen oder versteckten Konflikten führen. Es gibt oft verborgene Ziele, die im Widerspruch zu den offiziellen Zielen stehen. Ein einfaches lineares Denken in „Ursache-Wirkung“ reicht nicht aus, um diese Vielzahl von Aspekten zu adressieren. Wenn beispielsweise ein Produktteam wiederholt die Erwartungen der Vertriebsabteilung enttäuscht, liegt die Ursache wahrscheinlich nicht in einem einzelnen Faktor, sondern in verschiedenen dynamischen Interaktionen innerhalb des Systems.

In den 1960er Jahren wurde in der Forschung zur systemischen Beratung und Therapie in Palo Alto der Gedanke an lineare Zusammenhänge in Systemen verworfen. Diese Erkenntnis spiegelte sich in anderen wissenschaftlichen Disziplinen wider, wie beispielsweise der Physik. Die Synergetik und die Chaostheorie zeigten, dass Systeme unvorhersehbare Veränderungen durchlaufen können, wobei selbst kleine Ereignisse große Auswirkungen haben können – der berühmte Schmetterlingseffekt. Diese Erkenntnisse machten deutlich, dass einfache Kausalitäten nicht ausreichen, um komplexe Systeme zu verstehen. Systeme sind vielmehr selbstorganisiert, nicht vorhersehbar und in ständiger Veränderung.

Wenn wir die Produktentwicklung verbessern wollen, müssen wir sie aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Ein einzelnes Produktteam ist ein komplexes System, das aus verschiedenen Elementen besteht: einzelne Personen, das Team als Ganzes, die Rollen der Teammitglieder, Personen außerhalb des Teams, Prozesse, Best Practices, Regeln, Technologien und vieles mehr. Diese Elemente interagieren miteinander und sind einem ständigen Wandel unterworfen. Es ist daher wichtig, das System als Ganzes zu betrachten und nicht nur isolierte Teile davon.

Ein hilfreiches Denkmodell für die Betrachtung von Produktteams ist die integrale Theorie, die von Ken Wilber entwickelt wurde. Diese Theorie wurde für den Business-Kontext von Rolf Lutterbeck angepasst und bietet eine ganzheitliche Perspektive auf komplexe Systeme. Ein zentrales Konzept der integralen Theorie sind die vier Quadranten, die vier grundlegende Perspektiven auf ein Phänomen bieten:

  1. Das individuelle Innere: Hier geht es um die subjektiven Erfahrungen und inneren Prozesse der einzelnen Teammitglieder, wie Gedanken, Emotionen, Motivationen und Werte.

  2. Das kollektive Innere: Dieser Quadrant betrachtet die gemeinsamen Erfahrungen, Werte, Normen und Kulturen innerhalb des Teams.

  3. Das individuelle Äußere: Hier geht es um die äußeren, objektiven Aspekte der einzelnen Teammitglieder, wie Verhalten, Fähigkeiten und körperliche Merkmale.

  4. Das kollektive Äußere: Dieser Quadrant betrachtet die äußeren, objektiven Aspekte des Teams als Ganzes, wie Strukturen, Prozesse und Technologien.

Indem wir die Produktentwicklung aus diesen vier Perspektiven betrachten, können wir ein umfassenderes Verständnis entwickeln und ganzheitliche Lösungen entwickeln, die die verschiedenen Aspekte des Systems berücksichtigen.

Quellen:

  1. Lutterbeck, R. (16. Juli 2010). Integrales Business. Integrale Perspektiven Nr. 16, S. 6.
  2. Schlippe, A. v., & Schweitzer, J. (2016). Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I – Das Grundlagenwissen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
  3. Wilber, K. (2014). Integrale Spiritualität – Spirituelle Intelligenz rettet die Welt. München: Kösel-Verlag.

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