Jeder Mensch erlebt die Welt auf einzigartige Art und Weise. Das bedeutet, wir können die Welt nicht so wahrnehmen, wie jemand anderes. Doch wir wollen gut mit anderen Menschen auskommen, konstruktiv kommunizieren und zusammenarbeiten. Dazu versuchen wir, die Perspektive (Wahrnehmungsposition) einer anderen Person ausreichen gut zu verstehen – indem wir unsere Perspektive wechseln.
Situationen, Personen und Sachverhalte können also aus unterschiedlichen Wahrnehmungspositionen betrachtet werden. Mögliche Perspektiven sind:
- Ich-Perspektive
- Die Perspektive einer beteiligten andere Person
- Die Perspektive unseres gemeinsamen Ziels
- Meta-Position (unbeteiligt)
Wenn wir die Wahrnehmungsposition einer anderen Person einnehmen, bedeutet dies jedoch nicht, dass wir nun die Welt genau wie diese andere Person erleben. Es bedeutet vielmehr, dass wir die Welt so erleben, wie wir denken, dass die andere Person sie erlebt. Wir bilden also Hypothesen über das Erleben einer anderen Person.
Die folgenden Übungen sind auch in diesen Kurs (Affiliate-Link) zu sehen.
Übung: Selbstreflexion zu Wahrnehmungspositionen
Diese Übung dient der persönlichen Bearbeitung von Konflikten mit einer anderen Person (O’Connor, 2015). Wenn wir die oben genannten Perspektiven nacheinander einnehmen, können wir mehr Verständnis für ein Teammitglied, eine Vorgesetzte oder eine Kundin aufbringen. Diese Übung findet in Form einer Selbstreflexion statt. Als „billiges Konfliktmanagement“ kann die Übung beispielsweise helfen, wenn es Kommunikationsprobleme mit Kund:innen oder Stakeholdern gibt.
In der Abbildung ist das passende Miro Format zu dieser Übung zu sehen.

Arbeitsvorbereitung: Es werden 2 Stühle gegenüber aufgestellt. Auf dem Miro-Board oder einfach mit Zettel und Stift können entsprechende Felder eingezeichnet werden. Die Übung wird von einer einzelnen Person durchgeführt.
Ablauf:
- Setzen auf Stuhl 1 mit Blick auf Stuhl 2. Stuhl 1 repräsentiert die „Ich-Perspektive“. Auf Stuhl 2 sitzt die andere Person: Hineinfühlen in die eigene Perspektive. Ungefiltert sagen, was man selbst denkt und wie man die Situation erlebt. Dabei in „Ich-Form“ und Gegenwarts-Form formulieren. Dann aus der Rolle gehen und sich ablenken z.B. mit „Fischers Fritz…“ oder einer Turnübung
- Setzen auf Stuhl 2 mit Blick auf Stuhl 1: Sich in die andere Person hineinfühlen, „ich bin jetzt diese Person“ und auf das eben gehörte als diese Person ungefiltert antworten. Dabei in „Ich-Form“ und Gegenwarts-Form formulieren. Dann wieder ablenken, aus der Rolle gehen
- Stehend neben den Stühlen (Meta-Position) das eben Gehörte reflektieren.
- Schritte 1 und 2 wiederholen
- Erneut stehend neben den Stühlen (Meta-Position) das eben gehörte reflektieren. Dabei folgende Fragen beantworten:
- Was ist das gemeinsame Ziel der beiden?
- Was braucht Person A, was braucht Person B, um es zu erreichen? (Welche Ressourcen? Z.B. Offenheit? Mut? Akzeptanz?) – Ressourcen notieren
- Wo hattest du diese Ressourcen schonmal, in welcher Situation? Wie genau war das damals, wie hat es sich angefühlt? Nacheinander für jede genannte Ressource mit VAKOG erleben (siehe Das VAKOG-Modell)
- Mit diesem Gefühl, diese Ressourcen abrufbar zur Verfügung zu haben noch einmal 1+2 wiederholen
- Aus der Position des gemeinsamen Ziels reflektieren. Können die beiden es nun besser erreichen?
- Reflektieren der Übung aus einer unbeteiligten Position (Meta).
Workshop-Format: Wie wir unsere User:innen sehen
In diesem Workshop soll sich das Team seine Einstellung zu seinen User:innen bewusst machen.
Das Format kann als einzelner Workshop oder im Rahmen einer Retrospektive durchgeführt werden.
Es ist dann hilfreich, wenn User:innen offen oder verdeckt als nervig oder unintelligent bezeichnet werden. Eine negative Einstellung zu User:innen sollte bearbeitet werden. Immerhin sind dies die wichtigsten Personen für ein gutes Produkt-Team.
Unklarheiten, Verallgemeinerungen, Missverständnisse und Vorurteile können aufgedeckt und im Team offen besprochen werden. Oft verlieren sie dann schon einen Großteil ihrer Wirkung. Danach können optional Fragen formuliert werden für das nächste Gespräch mit diesen User:innen. So können mögliche identifizierten Missverständnisse aufgeklärt werden.
Die Abbildung zeigt das Format für die Durchführung am Miro Board.

Das gesamte Produkt-Team nimmt teil (plus Moderator:in).
Arbeitsvorbereitung: Jedes Teammitglied stellt sich eine bestimmte Userin oder einen User vor. Der Name wird nicht genannt. Es werden zwei Kreise oder Flächen im Raum definiert. In Kreis A ist die eigene Wahrnehmungsposition. In Kreis B befindet sich die User-Wahrnehmungsposition.
- Stickies aus der eigenen Wahrnehmung des Users gegenüber heraus beschriften und im Kreis A platzieren.
- Stickies aus der Wahrnehmung der Userin heraus beschriften und im Kreis B Platzieren
Jedes Teammitglied kommentiert kurz die eigenen Stickies. Danach wird das Gesamtergebnis im Team diskutiert. Fragen für die Diskussion können sein:
- Wie sehen wir unsere User:innen? Einheitlich oder bei den einzelnen Teammitgliedern unterschiedlich?
- Wie ist es dazu gekommen? Können wir alte Themen und Probleme neu bewerten oder abschließen?
- Welche Sichtweise wäre angemessen und hilfreich für unsere Arbeit?
- Wo liegen Missverständnisse? Wie können wir diese klären?
Als Workshop-Ergebnis notiert das Team eine bis drei Fragen, die jedes Teammitglied beim nächsten Gespräch mit einer Userin stellen wird. Alle sollten mit diesen Fragen einverstanden sein und sich zu ihnen committen. Je persönlicher ein Produkt-Team seine Userinnen kennt, desto besser für das gemeinsame Ergebnis.