Hypothesen, konstruktivistische Haltung und Produktentwicklung

Wir bilden ständig Hypothesen über unsere Umwelt. Der Konstruktivismus lehrt uns, dass alles, was wir erleben und interpretieren eine Hypothese ist (König, 2018 – Affiliate Link). Wenn wir diese Haltung annehmen, dann können wir unsere Hypothesen viel einfacher infrage stellen. Wir sind dann frei, alternative Hypothesen zu bilden. In der Produktentwicklung ist es hilfreich, sich darüber bewusst zu sein, dass wir ständig Hypothesen aufstellen. Denn dann können wir diese Hypothesen durch Experimente prüfen, bevor ein Produkt oder Feature final entwickelt wird.

Übung: Kennenlern-Spiel mit Hypothesen

In dieser Übung geht es darum, sich dessen bewusstwerden, dass wir ständig Hypothesen über die Welt bilden. Dieses Bewusstsein hilft Teammitgliedern zu akzeptieren, dass in der zeitgemäßen Produktentwicklung ständig experimentiert wird. Die Übung eignet sich als Kennenlern-Spiel für Workshops.

  • Wer: Zweier bis Vierer-Gruppe
  • Dauer: ca. 40 Minuten bei einer Vierer-Gruppe, sonst weniger

Ablauf: Bildet in Kleingruppen abwechseln Hypothesen über jeweils eine Person. Diese Person reagiert zunächst nicht. Sie kann gern notieren, was über sie hypothetisiert wird. Reihum werden Hypothesen über alle in der Gruppe gebildet (jeweils ca. 5 Minuten). Danach lösen alle Personen reihum auf, ob die Hypothesen wahr oder falsch waren und wie das offene Hypothetisieren über die eigene Person erlebt wurde (jeweils ca. 5 Minuten).

  • Dein Lieblingssong/Band
  • Deine Lieblingsfarbe
  • Der Traumberuf in deiner Kindheit
  • Wohin möchtest du gern einmal reisen
  • Dein Lieblingsfilm

Wenn Personen sich gut kennen und sie die Antworten kennen, dann soll die Person, über die Hypothesen gebildet werden, eine andere Frage vorschlagen, deren Antwort niemand in der Gruppe sicher weiß.

Tipp: Allein kannst du einfach unterwegs Hypothesen über fremde Menschen aufstellen. Das machen wir unbewusst ständig. Beobachte dich selbst und reflektiere, welche Hypothesen du aufstellst.

Übung: Reframing der Bedeutung

In dieser Übung geht es darum, eigene (automatisch erzeugte) Hypothesen infrage zu stellen und umzudeuten (Reframing). Sie kann von einer Person allein durchgeführt werden. Es ist hilfreich, sich seine Gedanken dabei zu notieren.

Erinnere dich an eine Situation vor, die du als problematisch erlebt hast. Formuliere nun die Bedeutung, die du der Situation gegeben hast. Dies ist nun deine Hypothese über die Situation. Nun formuliere fünf alternative Hypothesen (Bedeutungen) für dieselbe Situation. Diese dürfen völlig unrealistisch und verrückt sein.

Beispiel: Meine Kollegin grüßt mich nicht.

  • Ursprüngliche Hypothese: Sie mag mich nicht.
  • Alternativen:
    • Sie hat mich nicht gesehen.
    • Sie macht heute einen Schweige-Tag.
    • Sie ist heiser und schont ihre Stimme.
    • Sie hat Hallo gesagt und ich habe es überhört.
    • Sie hat ein privates Problem und ist gerade im Tunnel.

Reflektiere nun, wie du die unterschiedlichen Bedeutungen erlebst und darauf reagierst. Welche Hypothese gefällt dir am besten, welche am wenigsten?

Schreibe einen Kommentar