Agile Methoden und logische Ebenen

Wenn ich über Produktmanagement spreche, dann spreche ich oft über agile Methoden, Frameworks und grundlegende Prinzipien. Mir ist es wichtig, diese drei Begriffe zu differenzieren für mehr Klarheit: Methoden, Frameworks und Prinzipien.

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Agile Methoden und ihre Prinzipien

Prinzipien sind grundlegende Einstellungen. Bekannt sind die zwölf Prinzipien des Agilen Manifests (Schwaber & Sutherland, 2001) wie z.B.

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Es wird hier nicht beschrieben, wie genau ein Unternehmen dieses Prinzip umsetzen soll. Dazu wird es viele Mittel und Wege geben. Das Prinzip bildet die Grundlage und die Richtung, die eingeschlagen wird. Prinzipien können einen Basis für Führung sein. Bei der Principle-Based Governance legt das Führungsteam einige Prinzipien fest, anstatt den Mitarbeitenden zu sagen, was sie wie tun sollen. Alle Mitarbeitenden treffen Entscheidungen basierend auf Prinzipien. Damit soll gewährleitet werden, dass im Sinne der Organisation und ihrer Ziele entschieden wird (Jez Humble J. M., 2014). Beispiel: In seinem Buch Lean Enterprise (2014) nennt Jez Humble ein Unternehmen, welches folgende Prinzipien vorgibt:

  1. Don’t slow down delivery
  2. Decide, when needed, at the right level
  3. Do it with the right people
  4. Go see for yourself
  5. Only do it i fit adds value
  6. Trust and verify

Das Alignment oder die Ausrichtung aller Mitarbeitenden steht bei prinzipienbasierter Führung im Fokus. Man vertraut darauf, dass Entscheidungen basierend auf diesen Prinzipien zum Wohl der Organisation (und aller Menschen in der Organisation) getroffen werden. Jede und jeder sind verantwortlich, da Entscheidungen getroffen werden anstatt dass Regeln und Prozesse befolgt werden. Es geht also um gemeinsame Ausrichtung anhand von Prinzipien, gegenseitiges Vertrauen und die Übernahme von Verantwortung für die eigenen Entscheidungen.

Agile Methoden vs. Frameworks

Frameworks wie z.B. Scrum werden in der Literatur und in der Arbeitswelt teilweise als „agile Methoden“ bezeichnet (Andresen, 2019). So möchte ich es hier ebenfalls halten: Frameworks werden unter dem Sammelbegriff „Methoden“ einbezogen. Wenn ich hier von Frameworks spreche, meine ich speziell solche Methoden, die einen Rahmen und eine Struktur geben. Scrum ist dafür ein besonders gutes Beispiel. Frameworks geben Struktur und Takt. Andere Methoden funktionieren eher wie eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, die beschreibt, WIE etwas getan wird. Beispiele sind das WWW-Feedback oder die Verwendung von User Stories.

Agile Methoden ohne Prinzipien

Methoden und Frameworks werden üblicherweise kombiniert. Oft wird im Kontext „agiles Arbeiten“ Scrum als Framework verwendet, welches den Rahmen für die Zusammenarbeit gibt. Dazu kommen andere Methoden wie ein Kanban Board, Story Maps oder Praktiken wie Planning Poker und Elemente aus dem Extreme Programming (XP) wie z.B. das Pair Programming.

Methoden und Frameworks basieren üblicherweise auf Prinzipien. Methoden sind irgendwann einmal basierend auf bestimmten Prinzipien entstanden. Der Erfinder oder die Erfinderin der Methode hat sich etwas dabei gedacht. Fragt man bei der Verwendung von Methoden nach dem warum und dem wozu, gelangt man zu den darunterliegenden Prinzipien (Andresen, 2019). Diese Prinzipien untermauern die kombinierten Methoden und Strukturen. Zum Beispiel gehen die zwölf Prinzipien des agilen Manifests (Schwaber & Sutherland, 2001) tiefer als das WAS und WIE der äußerlich sichtbaren Methodendurchführung und durchdringen eine ganze Organisation. Effektives Arbeiten ohne speziell beschriebene Methoden ist möglich. Ohne die passenden Prinzipien wird es jedoch schwierig.

Werden die Methoden ohne die (oft auch unbewusste) Kenntnis der passenden Prinzipien weiter durchexerziert, fehlt der grundlegende Sinn. Daraus ergeben sich Effekte wie z.B. in Cargo-Cults. Bei Cargo Cults werden symbolische Ersatzhandlungen durchgeführt in der Erwartung, etwas von Wert dafür zu bekommen (Wikipedia, 2023). Im agilen Kontext werden Cargo Cults zitiert, wenn Methoden ohne die dazugehörigen Prinzipien und Werte (also ohne das WARUM und WOZU) verwendet werden in der Hoffnung auf gute Ergebnisse.

Eine besonders anschauliche Beschreibung von der Verwendung eines Frameworks und agilen Methoden ohne den dazugehörigen Unterbau aus den passenden Prinzipien ist das Buch (und Website) Zombie Scrum (Verwijs, 2020). Hier werden Scrum-Antipatterns inclusive der passenden Gegenmittel beschrieben.

Beispiel: Als Symptom für Zombie Scrum wird bei Verwijs (2020) beschrieben, dass Stakeholder nicht oder wenig einbezogen werden. Die Ursache kann sein, dass der oder die Produktverantwortliche annimmt, sie oder er wissen am besten, was die Stakeholder brauchen, ohne diese zu befragen oder früh Feedback einzuholen. Ein wirksames Prinzip wäre hier eine konstruktivistische Grundhaltung, welche besagt, dass jeder Mensch eine individuelle Weltsicht hat, die es zu erfragen gilt (Schlippe & Schweitzer, 2016).

Prinzipien & agile Methoden auf den logischen Ebenen nach Dilts

Im Modell der logischen Ebenen nach Dilts (O’Connor, 2015) repräsentieren die unteren Ebenen eher das äußerliche Erleben, unsere Umgebung und unser Verhalten. Die oberen Ebenen stehen für unser inneres Erleben wie Sinn, Werte und Identität.

Methoden und Frameworks (untere Ebenen) haben einen Background aus Prinzipien, welche auf den oberen logischen Ebenen zuhause sind. Es wird angenommen, dass ein Problem, welches auf einer der logischen Ebenen stattfindet, eine Lösung aus einer höheren Ebene braucht (Stumpf, 2019). Die äußerlich sichtbare Verwendung eines Frameworks wie Scrum findet zunächst auf der untersten logischen Ebene statt. Allerdings gehören die Scrum Werte und die agilen Prinzipien untrennbar dazu und befinden sich auf den höheren logischen Ebenen.

Wenn ein Framework wie Scrum „bei uns nicht funktioniert“, kann untersucht werden, auf welcher der darüberliegenden logischen Ebenen das Unternehmen nicht zu den Prinzipien des Unternehmens passt – z.B. könnten die Werte des Unternehmens den Scrum Werten widersprechen. Ein Scrum Wert ist beispielsweise Mut. In manchen Unternehmen gilt allerdings das Prinzip, sich gegen Anschuldigungen zu schützen und damit eben NICHT mutig eigene Fehler offen zu kommunizieren.

Das Framework einfach durch ein anderes auszutauschen („wir machen jetzt das Spotify Modell“) und nur die unterste Ebene neu zu implementieren, schein wenig erfolgsversprechend, da die oberen Ebenen nicht einbezogen werden und vermutlich auch zum neuen Framework nicht passen. Die Hypothese am Ende dieser Betrachtung ist: Methoden und Frameworks können erfolgreich angewendet werden, wenn die grundlegenden Prinzipien passen und gelebt werden.

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